Pressefreiheit à la Maur
Unsere charmante Gemeinde am Greifensee ist dieser Tage Schauplatz eines ungewöhnlich spannenden Duells. Es geht nicht um Baubewilligungen, Seeuferwege, Spielplatzeinweihungen oder die nächste Abstimmung über Parkgebühren. Nein, diesmal steht das gedruckte Wort im Zentrum.
Von Daniel Steffen*
Zwei Zeitungen, eine Gemeinde und eine demokratische Initiative sorgen für Furore, Spannung und hier und dort an kalten Wintertagen für eine leicht hitzige Debatte.
Da wäre zunächst die «Maurmer Post», das traditionsreiche Gemeindeblatt, finanziert mit 327’000 Steuerfranken aus der Gemeindekasse. Hier erfährt man zuverlässig, wann die nächste Strasse gesperrt wird, welcher Baum gepflanzt wurde und wie gelungen das letzte Vereins-Jubiläum war. Kritiker meinen jedoch, die Post sei weniger Zeitung, mehr Sprachrohr der Gemeindeexekutive. Ich nenne sie übrigens liebevoll die „Murmeli Post“ – weil sie meist im Winterschlaf liegt und nur gelegentlich mal ein leises freches Pfeifen von sich gibt.
Keine weichgespülten Texte
Dem gegenüber steht die Maurmer Zeitung, die mit einer demokratischen Einzelinitiative antreten möchte, um der Post den Rang abzulaufen. Ihr Ziel: politisch unabhängiger Journalismus im Gemeindeblatt. Keine PR, keine weichgespülten Texte, sondern klare Worte und ein frischer Wind, getragen durch einen Verein mit bereits über 200 Mitgliedern.
Das Ganze sorgt inzwischen für reichlich Diskussionsstoff. Die einen finden, dass die 327’000 Steuerfranken bei der „Murmeli Post“ gut aufgehoben sind („Immerhin weiss ich, wann die Grüngutabfuhr kommt!“). Die anderen fragen sich, warum sie mit ihren Abgaben ein Blatt finanzieren sollen, das der Gemeinde lieber auf die Schultern klopft als in den Spiegel schaut. Und irgendwo dazwischen steht der unaufgeregte Maurmer, der vor allem hofft: „Hauptsache, es wird günstiger.“
Schawinski schaltet sich ein
Spannend ist, dass dieses mediale Duell mittlerweile die Aufmerksamkeit über die Dorfgrenzen hinaus auf sich zieht. Roger Schawinski, Methusalem und erprobter Kampfhahn der Schweizer Medien Revoluzzer, der nie eine Chance auf eine gute Debatte verpasst, hat die Situation in Maur entdeckt. Es wäre keine Überraschung, wenn demnächst ein Schawinski Podcast „Maur – Die Schweizer Pressefreiheit auf dem Prüfstand“ erscheint.
Dorf mit eigener Dynamik
Am Ende bleibt Maur aber was es immer war: ein Dorf mit eigener Dynamik und einer gewissen Resistenz gegenüber übertriebenem Drama. Ob «Maurmer Post» oder Maurmer Zeitung – die Bürger werden selbst entscheiden, ob sie am Bewährten festhalten oder dem Neuen eine Chance geben wollen. Und das ist gut so. Bis dahin bleibt die Lage jedenfalls spannend. Und eines ist sicher: Gesprächsstoff und Stammtischunterhaltung gibt es genug. Sogar ohne Zuschuss aus der Gemeindekasse.
*Der gebürtige Bündner Daniel Steffen (60) ist langjähriger Geschäftsführer von internationalen Firmen und besitzt grosse Erfahrung in Unternehmensführung. Er war unter anderem acht Jahre Gemeinde- und Gemeinderatspräsident in Leissigen im Berner Oberland. Seit fünf Jahren wohnt er in Binz.